Einem Verwaltungsrat können mittels Aktionärbindungsvertrag vertragliche Pflichten auferlegt werden. Diese Pflichten können in einem Spannungsverhältnis zu seinen gesetzlichen Pflichten stehen. Unter gewissen Umständen kann dadurch eine Zwangslage für den Verwaltungsrat entstehen, wenn z.B. die Befolgung einer vertraglichen Pflicht gleichzeitig die Verletzung einer gesetzlichen Pflicht zur Folge hätte. Daraus ergibt sich ein erhöhtes Haftungsrisiko für den Verwaltungsrat.
Pflichten des Verwaltungsrats
Die Pflichten des Verwaltungsrats sind grundsätzlich im Gesetz und den Statuten geregelt. Die gesetzlichen Pflichten haben primär das Interesse der Gesellschaft im Fokus. Mehrere solcher Pflichten sind zwingend und teilweise auch unübertragbar (vgl. Art. 716a OR)(vgl. Delegation von Aufgaben durch den Verwaltungsrat).
Zusätzlich zu den gesetzlichen Pflichten können Verwaltungsräte mittels Vereinbarung vertragliche Pflichten eingehen. Eine mögliche Form einer solchen Vereinbarung ist beispielsweise der Aktionärbindungsvertrag (ABV). Durch einen ABV können sich Aktionäre untereinander binden. Typisch sind beispielsweise die Einräumung eines Anspruchs auf einen Sitz im Verwaltungsrat für jeden Aktionär oder eine Stimmrechtsbindung im Verwaltungsrat. Ist ein solcher Aktionär zugleich Verwaltungsrat, können sich widersprechende Pflichten daraus ergeben.
Oft sollen die vertraglichen Pflichten die gesetzlichen Pflichten erweitern (z.B. Verschärfung des Konkurrenzverbots) oder präzisieren (z.B. welche Tatsachen der Geheimhaltung unterliegen). Je nach Ausgestaltung der vertraglichen Regelung kann aber auch eine gesetzliche Pflicht verletzt werden, was grundsätzlich nicht zulässig ist.
Kein Verstoss gegen zwingende Pflichten
Als Ausgangspunkt dürfen zusätzliche vertragliche Pflichten des Verwaltungsrats nicht gegen das Verbot der Entziehung oder Übertragung der gesetzlichen Pflichten nach Art. 716a OR verstossen. Diese Pflichten müssen zwingend beim Verwaltungsrat verbleiben und dürfen nicht mittels eines ABV verletzt werden. Das gleiche gilt für weitere zwingende Bestimmungen wie die Sorgfalts- und Treuepflicht des Verwaltungsrats gegenüber der Gesellschaft oder aber auch das Gleichbehandlungsgebot betreffend die Aktionäre.
Gesetzliche Pflichten gehen grundsätzlich vor
Vertragliche Pflichten sind dann bedenklich, wenn sie mit gesetzlichen Pflichten des Verwaltungsrats kollidieren bzw. diesen widersprechen. Als Grundsatz gilt, dass die gesetzlichen Pflichten des Verwaltungsrats seinen allfälligen vertraglichen Pflichten vorgehen.
Gegebenenfalls und im Einzelfall verbleibt dem Verwaltungsrat bei der Befolgung seiner gesetzlichen Pflichten ein Ermessensspielraum (z.B. wie er generell sein Stimmrecht im Interesse der Gesellschaft ausüben soll). Im Rahmen eines solchen Ermessenspielraums sind vertragliche Verpflichtungen möglich.
Rechtsfolgen bei einer Verletzung von Pflichten
Die vertragliche Regelung kann im Einzelfall aufgrund einer direkten Gesetzesverletzung ungültig sein und bindet den Verwaltungsrat dann nicht (z.B. wenn die vertragliche Pflicht ausdrücklich gegen das Interesse der Gesellschaft gerichtet ist). In anderen Fällen kann sich der Verwaltungsrat in einer Zwangslage befinden, weil er bei der Befolgung einer Pflicht gleichzeitig eine andere verletzen würde. Insbesondere bei diesem zweiten Beispiel setzt sich der Verwaltungsrat einem erhöhten Haftungsrisiko aus (vgl. Persönliche Haftung von Verwaltungsräten). Verletzt er dabei den Aktionärbindungsvertrag droht Schadenersatz als Vertragsverletzung, verletzt der seine Pflichten als Verwaltungsrat droht eine aktienrechtliche Verantwortlichkeit.
Ein Verwaltungsrat ist deshalb gut beraten, seine Pflichten aus einem ABV im Einzelfall vorgängig genau zu prüfen und sich, beispielsweise durch eine Schadloshaltungserklärung abzusichern.
Für Rückfragen steht ihnen dabei Dr. Christoph D. Studer gerne zur Verfügung.
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