Für die Haftung des Stiftungsrates einer Vorsorgestiftung existieren spezielle Bestimmungen im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Art. 52 BVG entspricht inhaltlich einer Nachbildung der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit in Art. 754 OR. Dennoch gibt es einige Unterschiede zum „gewöhnlichen“ Verantwortlichkeitsrecht.
Haftung auch weiterer „mit der Verwaltung betrauter“ Personen
Nach den Verantwortlichkeitsbestimmungen im BVG sind insbesondere alle mit der Verwaltung betrauten Personen potentiell haftbar. Dabei handelt es sich primär um den Stiftungsrat, der die Oberleitung der Stiftung als Aufgabe innehat. Ebenfalls haftpflichtig werden können aber auch Geschäftsführer oder andere Personen, die an Verwaltungshandlungen teilnehmen und dabei mit vollem Stimmrecht ausgerüstet sind (als sog. faktische Organe).
Zur Klage berechtigt ist ausschliesslich die Vorsorgeeinrichtung selbst. Dritte, d.h. insbesondere versicherte Personen oder Gläubiger, die lediglich einen mittelbaren Schaden erlitten haben, können ihre Ansprüche nicht auf Art. 52 BVG stützen, sondern müssten ihre Ansprüche auf dem Zivilweg geltend machen. Ein Versicherter kann sich allerdings auch an die Aufsichtsbehörde wenden, die die Möglichkeit hat, die Vorsorgeeinrichtung zu zwingen, Schadenersatzansprüche gegen ihre Organe durchzusetzen.
Wie bereits erwähnt, lehnt sich die Haftung gemäss BVG stark an die aktienrechtliche Verantwortlichkeit an. Entsprechend werden auch hier die gleichen vier Haftungselemente (Schaden, Widerrechtlichkeit, Kausalzusammenhang und Verschulden) vorausgesetzt. An dieser Stelle wird deshalb lediglich auf die Besonderheiten der Verantwortlichkeit gemäss BVG eingegangen.
Falsche Anlageentscheide
Der Schaden bei einer Vorsorgestiftung besteht in einer Verminderung des Stiftungsvermögens, die nicht zur Verwirklichung des durch Gesetz, Statuten oder durch Reglement vorgegebenen Zwecks erfolgt. Wie üblich kann es eine Erhöhung der Passiven (Schulden), eine Verminderung der Aktiven (Vermögen) oder entgangener Gewinn sein.
Es sind namentlich zwei typische Schadenskonstellationen zu erwähnen. Zum einen sind dies Schäden, die unter Verletzung des Anlagereglements zustande gekommen sind. Ein solcher Schaden ist oft schwer zu bemessen, da er anhand eines Vergleichs zwischen der tatsächlich erfolgten Vermögensanlage und einem hypothetischen Portfolio, welches dem Anlagereglement bzw. den gesetzlichen Vorschriften entspricht, ermittelt werden muss.
Ein weiterer, typischer Fall liegt vor, wenn der Konkurs des Vorsorgewerks zu spät angemeldet wurde und aufgrund dessen ein Schaden eingetreten ist.
Verletzung von Pflichten
Widerrechtlichkeit liegt gemäss Lehre vor, wenn dem Organ eine Vertragsverletzung nachgewiesen werden kann. Gemäss Rechtsprechung kann Widerrechtlichkeit bei der Verletzung einer Pflicht aus Gesetz, Verordnungen, aus der Stiftungsurkunde und Reglementen, aus den Beschlüssen des Stiftungsrates, einem Vertrag sowie den Weisungen der Aufsichtsbehörde, gegeben sein.
Eine Widerrechtlichkeit kann unabhängig davon vorliegen, dass das entsprechende Handeln durch Kontroll- sowie Aufsichtsinstanzen, oder bspw. der Revisionsstelle, genehmigt worden ist. Umso wichtiger ist, dass ein Stiftungsrat sich seiner vertraglichen Pflichten im Klaren ist. Insbesondere die Anlagetätigkeit der Stiftung bedarf der genauen Überprüfung durch den Stiftungsrat. So gilt beispielsweise die Missachtung der speziellen Anlagevorschriften in Art. 71 Abs. 1 BVG i.V.m. Art. 53 ff. BVV2 generell als widerrechtlich.
Ursache des Schadens
Auch für die Haftung der Organe einer Vorsorgestiftung muss ein Kausalzusammenhang zwischen der widerrechtlichen Handlung und dem Schaden bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Vorsorgeeinrichtung oftmals den verschiedensten Einflüssen unterliegt, weshalb jede Verhaltensweise genau darauf geprüft werden muss, ob sie für den Schadenseintritt ursächlich war.
So ist auch ein falscher Anlageentscheid, der durch eine positive Börsenentwicklung „kompensiert“ wurde und auf den ersten Blick nicht zu einer Vermögensverminderung geführt hat, anrechenbar. Massgebend ist der Umstand, dass durch eine reglementskonforme Anlagestrategie ein positiveres Ergebnis für die Vorsorgestiftung hätte erreicht werden können.
Höhere Anforderungen für Spezialisten
Wie gewöhnlich wird für die Frage, ob ein Verschulden vorliegt, ein objektiver Massstab angesetzt. Das bedeutet, dass grundsätzlich die persönlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt werden. Das Verhalten des Organs wird damit verglichen, wie ein gewissenhafter und sachkundiger Stiftungsrat in der gleichen Lage gehandelt hätte. Allerdings ist zu beachten, dass höhere Anforderungen gestellt werden, sofern ein Mitglied des Stiftungsrates wegen seiner oder ihrer besonderen Fähigkeiten gewählt wurde. Dies könnte zum Beispiel einen Vermögensverwalter betreffen, der gerade aufgrund seines Fachwissens in den Stiftungsrat aufgenommen wurde.
Wie bereits in einem anderen Beitrag berichtet wurde, gelten für Stiftungsräte strenge Haftungsmassstäbe. Jeder Stiftungsrats-Kandidat muss deshalb bereits vor Mandatsantritt sicherstellen, dass er die Anforderungen erfüllen kann. Lediglich der Umstand, dass im Stiftungsratsgremium andere, vielleicht qualifiziertere Mitglieder vertreten sind, bedeutet nicht, dass sein eigenes Verschulden dadurch verringert würde. Auch Faktoren wie Zeitmangel, Unerfahrenheit sowie das Fernbleiben von Sitzungen wirken sich nicht haftungsmindernd aus.
Keine Haftungsbefreiung
Bei der Verantwortlichkeit gemäss BVG handelt es sich um eine zwingende Gesetzesbestimmung. Eine vertragliche Haftungsbefreiung, beispielsweise für ein leichtes Verschulden ist demnach nicht zulässig. Umso wichtiger ist es, dass sich Stiftungsräte ihrer besonderen Haftung und der Verantwortung ihrer Position bewusst sind, sich bei Bedarf versichern lassen und hierfür falls notwendig sachkundige Hilfe beiziehen.
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