Die Konkursmasse ist nicht berechtigt (aktivlegitimiert), den im Konkurs einer Gesellschaft ausschliesslich den Gläubigern entstandenen Schaden geltend zu machen.

Aktivlegitimation ist ein komplexes Thema

Die Frage der „Aktivlegitimation“, d.h. wer im Rahmen der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit überhaupt berechtigt ist, Klage gegen die potenziell haftpflichtigen Organe zu führen, gehört zu den komplexen Aspekten in der Organhaftung. Der Entscheid des Bundesgerichts  4A_425/2015 vom 10. Dezember 2015 illustriert, dass es auch für erfahrene Beteiligte nicht immer leicht ist, abzuschätzen, ob jemand legitimiert ist, eine Verantwortlichkeitsklage einzureichen.

Dazu muss man wissen, dass zur Beurteilung der Aktivlegitimation grundsätzlich zu unterscheiden ist, ob sich die betroffene Gesellschaft im Konkurs befindet oder nicht und ob ein direkter oder ein indirekter Schaden gelten gemacht wird.

Im vorliegenden Fall hatte die Nachlassmasse der in Konkurs gegangenen SAir Group AG geltend gemacht, sie sei nicht nur zur Geltendmachung der Verantwortlichkeitsansprüche der Gesellschaft legitimiert, was unbestritten ist, sondern sie sei auch zur Geltendmachung des ausschliesslich der Gläubigergesamtheit entstandenen Schadens berechtigt.

Konkursmasse ist zur Geltendmachung des Gesellschaftsschadens berechtigt

Der Entscheid des Bundesgerichts 4A_425/2015 vom 10. Dezember 2015 ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Vorab  fasst das Bundesgericht seine Rechtsprechung zur Aktivlegitimation zusammen.  Es wird insbesondere ausgeführt, wie die aktuelle Praxis zustande kam, nach welcher die Konkurs- oder Nachlassmasse berechtigt ist, den sog. „einheitlichen Anspruch der Gläubigergesamtheit“ geltend zu machen.

Das Bundesgericht hält fest, dass geschädigte Gläubiger gemäss dieser Praxis bei Konkurs unbeschränkt gegen die Gesellschaftsorgane vorgehen können, sofern nicht gleichzeitig auch die Gesellschaft selber einen Schaden erlitten hat. In Präzisierung seiner Rechtsprechung führt das Gericht dann weiter aus, dass keine Notwendigkeit bestehe, der Konkurs- oder Nachlassmasse die Legitimation zur Geltendmachung von Ansprüchen einzuräumen, wenn ein Schaden ausschliesslich im Vermögen der Konkursgläubiger eingetreten ist. Wenn also nur das Verwertungssubstrat der Gläubiger vermindert wurde, sind auch nur diese Gläubiger berechtigt, den Anspruch geltend zu machen.

Die Konkursmasse sei somit einzig berechtigt, im Konkurs der Gesellschaft Ansprüche für die Gläubigergesamtheit geltend zu machen, welche sich aus dem Recht der Gesellschaft und einer Schädigung im Sinne der Differenztheorie ableite.

Verringerung des Vermögenssubstrats der Gläubiger ist mittels paulianischer Anfechtung geltend zu machen

Eine Verringerung des Vermögenssubstrats der Gläubiger durch Bezahlung einer fälligen Schuld durch die konkursite Gesellschaft führe zwar zu einer Verringerung des Vermögenssubstrats der Gläubiger, aber nicht zu einer Schädigung der Gesellschaft. Dieser Umstand sei deshalb gegebenenfalls durch die Gläubiger mittels paulianischer Anfechtung, nicht aber durch eine Verantwortlichkeitsklage der Konkursmasse, geltend zu machen.