Die „Business Judgment Rule“ regelt, wie ein Richter Geschäftsentscheide zu überprüfen hat, wenn behauptet wird, die Geschäftsleitung bzw. der Verwaltungsrat sei dafür persönlich haftbar. Dabei werden zuerst die Umstände des Zustandekommens und erst danach der Entscheid inhaltlich beurteilt. Ziel ist es, die unternehmerische Freiheit der geschäftsleitenden Personen sicherzustellen, wenn sie die nötige Sorgfalt bei der Entscheidfindung aufgewendet haben.

Viele unternehmerische Entscheide sind mit Risiko verbunden

Verwaltungsräte müssen eine Vielzahl an Entscheiden treffen, welche oft mit Risiken für das Unternehmen verbunden sind. Eine neue strategische Ausrichtung, die Übernahme eines Unternehmens oder Lancierung eines neuen Produktes werden in der Absicht getätigt, den unternehmerischen Erfolg positiv zu beeinflussen. Jedoch schwingt bei solchen Entscheiden stets das Risiko mit, dass sich die erhoffte Prognose nicht verwirklicht und dem Unternehmen stattdessen ein Verlust resp. Schaden entsteht.

Nachträgliche Beurteilung von Entscheiden

Fehlentscheide führen nicht zwingend zu einer Haftung. Allerdings kommt auch bei unternehmerischen Entscheiden die Organverantwortlichkeit nach Art. 754 OR zur Anwendung. Ein Verwaltungsrat haftet dem Unternehmen für Schäden, welche auf eine schuldhafte Pflichtverletzung zurückzuführen sind.

Es wäre problematisch, wenn der Umstand, dass ein Verlust eingetreten ist, massgebendes Kriterium dafür wäre, ob ein Entscheid als Pflichtverletzung zu betrachten ist. Im Nachhinein ist man oft klüger. Es muss dem Management erlaubt sein, ein notwendiges wirtschaftliches Risiko einzugehen, um das Unternehmen erfolgreich zu führen.

Bei der Frage, ob ein Verwaltungsrat mit einem unternehmerischen Entscheid eine Pflichtverletzung begangen hat, verlangt das schweizerische Bundesgericht deshalb, dass die gesamten Umstände des Entscheides anhand der aus den USA stammenden „Business Judgment Rule“ überprüft werden (siehe BGer 4A_259/2016 [Urteil vom 13. Dezember 2016] E 5.1).

Sind Richter bessere Manager?

Nach der „Business Judgment Rule“ haben Gerichte bei einer nachträglichen Kontrolle von unternehmerischen Entscheiden in zwei Schritten vorzugehen:

  1. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob der Entscheid regelkonform zustande gekommen ist. Es wird also (noch) nicht der Entscheid inhaltlich sondern vorerst (nur) dessen Zustandekommen und die Umstände betrachtet. Dabei wird u.a. geprüft, ob sich der Verwaltungsrat vorgängig die notwendigen Informationen für die Grundlage des Entscheides besorgt, allfällige Expertenmeinungen eingeholt und eine sorgfältige Risikoabwägung durchgeführt hat. Weiter wird auch geprüft, ob sich der Verwaltungsrat in einem Interessenkonflikt befand. Sofern bei dieser Kontrolle des Zustandekommens des Entscheides keine Mängel aufdeckt werden, wird dieser inhaltlich nur zurückhaltend beurteilt und auf seine Vertretbarkeit hin überprüft. Grundsätzlich wird dann vermutet, dass keine Pflichtverletzung vorliegt.
  2. Sollte die Prüfung einen Mangel offenbaren, wird in einem zweiten Schritt der Entscheid inhaltlich kritisch betrachtet. Je nach Qualität des Mangels kann diese Prüfung soweit gehen, dass eine Pflichtverletzung gar vermutet wird. Der Verwaltungsrat kann deshalb unter Umständen in der Pflicht stehen, Beweise zu liefern, dass trotz des Mangels beim Zustandekommen des Entscheides keine haftungsbegründende Pflichtverletzung vorliegt (Vermutung der Pflichtwidrigkeit).

Dokumentation des Zustandekommens des Entscheides

Ein Verwaltungsrat sollte vorbereitet sein, die notwendigen Beweise dafür liefern zu können, dass ein Entscheid mängelfrei zustande gekommen ist. Deshalb ist der Entscheidfindungsprozess zwingend schriftlich zu dokumentieren. Weiter muss der Verwaltungsrat stets einen Interessenkonflikt prüfen, bei dessen Vorhandensein protokollieren lassen und nötigenfalls in den Ausstand treten. Auf diese Weise kann er sich einer strengen inhaltlichen Prüfung seines Entscheides entziehen.

Als Faustregel gilt: je grösser das unternehmerische Risiko, umso wichtiger ist die Nachweisbarkeit des korrekten Zustandekommens des Entscheides.