Im typischen und häufigsten Fall einer Organhaftung machen Abtretungsgläubiger im Konkurs der Gesellschaft den sogenannten Fortführungsschaden geltend. In einem aktuellen Entscheid hat das Bundesgericht eine konzise Zusammenfassung der verschiedenen Aspekte der Schadensberechnung bei der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit verfasst und zudem klargestellt, dass dabei auf die tatsächlichen Erlöse im Konkurs abgestellt werden muss.

Schaden als Differenz

Im Verantwortlichkeitsprozess muss der Kläger das Vorliegen der klassischen Haftungsvoraussetzungen (Pflichtverletzung, Schaden, Kausalzusammenhang, Verschulden) nachweisen. „Ein Schaden ist dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts die ungewollte Verminderung des Reinvermögens. Er kann in einer Verminderung der Aktiven, einer Vermehrung der Passiven oder entgangenem Gewinn bestehen und entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte“ (BGer 4A­_271/2016, 4A_291/2016 vom 16. Januar 2017, E. 3.1 mit Verweisen).

Fortführungsschaden zufolge Konkursverschleppung

Besteht der Schaden in einer Vergrösserung der Verschuldung der konkursiten Gesellschaft, welche durch eine verspätete Konkurserklärung entstanden ist, einem sogenannten Fortführungsschaden zufolge Konkursverschleppung, „so ist die tatsächliche eingetretene Überschuldung der Konkursitin mit jener zu vergleichen, die bei einem Konkurs zum früheren Zeitpunkt bestanden hätte“ (BGer 4A­_271/2016, 4A_291/2016 vom 16. Januar 2017, E. 3.1  mit Verweisen).

Nachweis des Schadens

Der Fortführungsschaden kann „festgestellt werden, indem der aus den Buchhaltungsunterlagen ersichtliche Saldo im Zeitpunkt der Verletzung der Benachrichtigungspflicht zu Liquidationswerten mit dem (höheren) Verlust im Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Konkurseröffnung verglichen wird“ (BGer 4A­_271/2016, 4A_291/2016 vom 16. Januar 2017, E. 3.1 mit Verweisen).  Im Sinne der Differenztheorie wird der Vermögensstand der Gesellschaft bei Konkurseröffnung mit dem Vermögensstand in jenem Zeitpunkt verglichen, in dem das eingeklagte Organ die Konkurseröffnung bei pflichtgemässem Handeln hätte herbeiführen müssen (kurz „hypothetischer Konkurszeitpunkt“).

Liquidationswerte massgebend

Der Überschuldungsgrad kann dabei nur „gestützt auf Liquidationswerte ermittelt werden, denn die Konkurseröffnung zieht die Auflösung der Gesellschaft nach sich  (Art. 736 Ziff. 3 OR) und deren Liquidation nach den Regeln des Konkursrechts“.  Da der gewöhnliche Geschäftsbetrieb eingestellt wird, hat der Fortführungswert seine Bedeutung verloren (BGer 4A­_271/2016, 4A_291/2016 vom 16. Januar 2017, E. 3.1  mit Verweis).

Reale nicht hypothetische Liquidationswerte

Da normalerweise keine Gesellschaftsabschlüsse für die Zeitpunkte des tatsächlichen bzw. der hypothetischen Konkurseröffnung zu Liquidationswerten vorliegen, müssen solche nachträglich erstellt bzw. Abschlüsse zu Fortführungswerte in solche zu Liquidationswerten umgewandelt werden. Dabei sind Wertkorrekturen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin für beide massgeblichen Zeitpunkte auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Privatgutachten verwiesen.

Das Handelsgericht Zürich als Vorinstanz hatte nun beanstandet, dass die Klägerin ihrer Schadensberechnung nicht die realen Liquidationswerte im Zeitpunkt des tatsächlichen Konkurszeitpunktes zugrunde gelegt hat, obwohl diese bekannt und mittels Verteillisten und Erlösen nachweisbar gewesen wären (HG110226_0, Urteil vom 18. März 2016, Ziff. 2.3.2.2).

Selbst wenn der Klägerin der Beweis des Schadensausmasses im Sinne von Art. 42 Abs. 2 OR erleichtert werde, sei sie dabei nicht davon befreit, „im Rahmen des Möglichen die realen Erlöse darzulegen und gestützt darauf die Überschuldung zum realen Konkurseröffnungszeitpunkt festzulegen“ (BGer 4A­_271/2016, 4A_291/2016 vom 16. Januar 2017, E. 4.2 mit Verweis). Die Klägerin habe nicht ausreichend begründet, weshalb im Zeitpunkt des hypothetischen Konkurszeitpunktes anstelle dieser realen Werte die vom Privatgutachten verwendeten abweichenden (höheren) Wertkorrekturen verwendet werden müssten. Nach bundesgerichtlicher Auffassung hat sich die Klägerin in ihrer Beschwerde nicht genügend mit den Ausführungen der Vorinstanz auseinandergesetzt, weshalb auf ihre Beschwerde bzw. Kritik am vorinstanzlichen Urteil nicht eingetreten wurde.

Dieselben (realen) Wertkorrekturen im Zeitpunkt des hypothetischen Konkurses

Dies bestätigt, dass für Wertkorrekturen im Zeitpunkt des tatsächlichen Konkurses grundsätzlich auch auf die tatsächlichen Ergebnisse abzustellen ist. Ohne sachliche Begründung, sind dieselben Wertkorrekturen aber auch im Zeitpunkt des hypothetischen Konkurses massgebend. Ohne gute Begründung ist eine weniger hohe Wertkorrektur im Zeitpunkt des hypothetischen Konkurses, die dadurch zu einem höheren Fortsetzungsverlust führt, nicht haltbar. Dieselbe Vorgehensweis wird beispielsweise auch im Beitrag von Patrick Fässler, Björn Berendonk, Thomas Greub, Berechnung des Fortführungsschadens in der Aktienrechtlichen Verantwortlichkeit , in: Der Schweizer Treuhänder ST 9/12 S. 670 ff. bzw. 10/12 S. 717 ff., S. 718 ff. beschrieben.