Die Zeiten, in denen man ehrenhalber zum Verwaltungs- oder Stiftungsrat ernannt worden ist, sind schon lange vorbei. Immer noch viel zu oft werden aber solche Aufgaben übernommen, ohne sich darüber Rechenschaft abgelegt zu haben, dass mit der Annahme eines Mandats immer auch Pflichten verbunden sind. Viele dieser Pflichten sind zudem undelegierbar. Sie müssen persönlich wahrgenommen werden und im Falle einer Verletzung dieser Pflichten wird das entsprechende Organ auch persönlich haftbar (Verantwortlichkeit, Organhaftung). Konsequenterweise sollte die Tätigkeit als Organ auch angemessen entschädigt sein, wobei die Entschädigung insbesondere Aufwand und Risiko abdecken sollte.

Es lohnt sich, einige Abklärungen zu treffen, bevor man ein solches Mandat annimmt.

Analyse der Gesellschaft

Vorab ist die betroffene Gesellschaft zu durchleuchten. Es ist insbesondere zu prüfen, ob die Organe (Verwaltungsrat, Revisionsstelle etc.) ordnungsgemäss bestellt sind. Weiter sind Statuten und Reglemente (Stiftungsreglemente, Organisationsreglement etc.) zu studieren:

  • Ist der Handelsregistereintrag korrekt?
  • Sind Statuten und Reglemente verständlich und nachvollziehbar? Gibt es aussergewöhnliche Regelungen?
  • Ist die Gesellschaft angemessen organisiert? Wie ist die Geschäftsleitung zusammengesetzt?
  • Unterschriftenregelung?
  • Ist eine Revisionsstelle vorgesehen und gewählt? Wie wird revidiert? Revisionsstellenberichte der letzten Jahre? Evtl. Gespräch mit der Revisionsstelle suchen.
  • Wie setzt sich das Aktionariat zusammen? Ist mit der Einflussnahme von Allein- oder Hauptaktionär zu rechnen?

Marktumfeld

Das Marktumfeld der Gesellschaft ist abzuklären:

  • Welche Produkte bzw. Dienstleistungen erbringt die Gesellschaft?
  • In welchem Marktumfeld ist die Gesellschaft tätig?
  • Wie ist das Potential der angebotenen Waren oder Dienstleistungen mittel- und langfristig?
  • Welche Mitbewerber gibt es?
  • Welche Strategie wird verfolgt?

Finanzielle Situation der Gesellschaft/Stiftung

Wie ist die finanzielle Situation der Gesellschaft? Im Vordergrund steht die Beurteilung der Eigenkapital- und Liquiditätssituation sowie der Ertragslage.

  • Wie war der bisherige Geschäftsverlauf? Schauen Sie sich mindestens die letzten drei Geschäftsabschlüsse kritisch an.
  • Besteht eine Unterbilanz oder ist die Gesellschaft gar überschuldet?
  • Wie sehen die Prognosen für die Zukunft aus?
  • Wie sehen Budgets und Liquiditätsplanung aus?
  • Offene Steuerschulden, Sozialabgabeverpflichtungen?
  • Auskünfte über stille Reserven, Eventualverpflichtungen, Rückstellungen etc.

Das Gremium

Idealerweise lernt man die künftigen Kollegen des Verwaltungsrats/Stiftungsrats persönlich kennen.

  • Wie ist der Verwaltungs- oder Stiftungsrat zusammengesetzt?
  • Was sind das für Persönlichkeiten und welche fachliche Qualifikationen haben sie?
  • Ist genügend Kompetenz im Finanz- und Rechnungswesen vorhanden?
  • Kann mit dem Gremium gearbeitet werden oder sind nur „Abnicker“ gesucht, die die Meinung des Präsidenten möglichst kritiklos mittragen?
  • Wo haben die übrigen Verwaltungsräte ihren Wohnsitz, insbesondere: bin ich der Einzige mit Wohnsitz in der Schweiz?

Die Verwaltungsratsakten der Vergangenheit sind zu studieren:

  • Wurden die Generalversammlungen rechtzeitig abgehalten und bestehen aussagekräftige Protokolle?
  • Finden regelmässig Verwaltungsratssitzungen statt und bestehen aussagekräftige Protokolle?
  • Gibt es Strategiepapiere?
  • Sind Risikoinventare vorhanden?
  • Sind die Steuererklärungen rechtzeitig und vollständig eingereicht worden?
  • Gibt es hängige Rechtsfälle oder drohen solche?
  • Besteht eine Organhaftpflichtversicherung (D&O)?

Eigene Fähigkeiten

Ganz zentral ist aber die kritische Selbstbeurteilung:

  • Warum bin ich angefragt worden?
  • Bin ich in der Lage, das Mandat zu erfüllen?
  • Habe ich die fachlichen Voraussetzungen?
  • Habe ich genügend Zeit, auch wenn aufgrund einer Krise mehr als die regelmässigen Sitzungen stattfinden?
  • Bin ich menschlich in der Lage bzw. bereit, meine Meinung im Gremium kund zu tun und gegebenenfalls auch zu verteidigen.
  • Bestehen allenfalls Interessenskonflikte zwischen diesem Mandat und anderen Tätigkeiten?
  • Bin ich wirtschaftlich so unabhängig, dass ich gegebenenfalls auch in der Lage bin, dieses Mandat aufzugeben.

Fazit

Bereits vor Annahme eines Mandats als Verwaltungsrat oder Stiftungsrat können einige Abklärungen getroffen werden, die helfen, die mit der Annahme eines Mandats verbundenen Risiken zu vermindern bzw. zumindest besser einschätzen zu können. Diese Abklärungen vor Mandatsannahme dienen der Minderung von Haftungsrisiken, entweder dadurch, dass bei erhöhtem Risiko während der Dauer des Mandats eine erhöhte Aufmerksamkeit ausgeübt werden kann oder im Extremfall gar ein Mandat abgelehnt und dadurch das entsprechende Haftungsrisiko von Anfang an eliminiert wird.

Erst wenn diese Aspekte bedacht worden sind und eine sorgfältige Abwägung der erhaltenen Informationen zum Schluss führt, dass die Übernahme des Mandats ein vertretbares Risiko bedeutet, ist eine Annahme zu empfehlen.