Im Zusammenhang mit der Klage der Glarner Kantonalbank gegen ehemalige Bankräte, Geschäftsführungsmitglieder sowie die externen Revisionsstelle hat das Obergericht das Kantons Glarus einen interessanten Entscheid gefällt, der sich ausgiebig mit Fragen der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit auseinandersetzt. Im nachfolgenden Beitrag wird auf einige Aspekte näher eingegangen.
Haftung auch ohne Konkurs
Im typischen Verantwortlichkeitsfall wird ein Geschäftsleitungsmitglied oder Verwaltungsrat durch einen Gläubiger eingeklagt, der im Zusammenhang mit dem Konkurs einer Gesellschaft Ausfälle erlitten hat (vgl. Persönliche Haftung von Verwaltungsräten?). Die vorliegende Klage ist eines der eher seltenen Beispiele, in denen eine Gesellschaft, welche nicht Konkurs gegangen ist, gegen aktuelle oder ehemalige Organe vorgeht.
Wenn sich Verwaltungsräte bewusst werden, dass sie selber auch dafür zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie auf eine Verantwortlichkeitsklage gegen aktuelle oder ehemalige Verwaltungsratskollegen verzichten (vgl. Sind Verwaltungsräte frei, auf Klagen gegen Verwaltungsratskollegen zu verzichten?), könnte dies durchaus zur Folge haben, dass auch Verantwortlichkeitsprozesse ausserhalb eines Konkurses etwas häufiger werden.
Der Umstand, dass eine Gesellschaft nicht im Konkurs ist, wirkt sich insbesondere darauf aus, wer überhaupt klagen darf und wie sich der Schaden berechnet. So sind beispielsweise gerade die Gläubiger der Gesellschaft nicht zur Klage legitimiert. Ansonsten gelten dieselben Grundsätze wie im Falle eines Konkurses.
Das Obergericht ist in seinem ausführlich begründeten Entscheid auf Themen eingegangen, welche auch in anderen Verfahren eine Rolle spielen können:
Vorwürfe sind im Detail zu prüfen
Das Obergericht wirft der Vorinstanz vor, sie habe die Pflichtverletzungen der Beklagten zu oberflächlich beurteilt. Im vorliegenden Fall ging es um die Kreditvergabe und die Befugnisse des Bankrates als Kontrollorgan sowie der Geschäftsführung als operative tätigem Organ. Das Obergericht bestätigt einmal mehr, dass konsequent zwischen den Funktionen der Geschäftsführung und denjenigen der Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle zu unterscheiden sei. Geschäftsführung und Bankrat haben unterschiedliche Aufgaben, die unterschiedliche Pflichten bzw. Pflichtverletzungen zur Folge haben.
Es ist Aufgabe der Kläger, diese Pflichtverletzungen detailliert und substantiiert vorzutragen und es ist Aufgabe des Gerichts, jede Sorgfaltspflichtverletzung „im Einzelnen inhaltlich detailliert zu analysieren und zu beurteilen„. Eine bloss summarische Prüfung genügt nicht. Wenn das Gericht dabei nicht über das entsprechende Fachwissen verfügt, muss es sachverständige Personen beiziehen oder Gutachten erstellen lassen.
Herausgabebegehren des Gerichts sind zu befolgen
Vorliegend haben die Beklagten verlangt, dass die klagende Bank die betroffenen Kreditdossiers herausgebe (editiere). Die Vorinstanz hat die Bank entsprechend aufgefordert, diese Unterlagen einzureichen. Die Bank hat jedoch entgegen den Anweisungen die einschlägigen Akten lediglich selektiv zur Verfügung gestellt. Das Obergericht weist darauf hin, dass eine externe Treuhandgesellschaft im Rahmen einer Risikoanalyse der Bank festgestellt habe, dass die Kreditdossiers aufbewahrt und übersichtlich geführt seien. Es hält fest, wenn die Klägerin trotz gerichtlicher Aufforderung nicht in der Lage sei, die vollständigen Unterlagen zusammenzustellen und einzureichen, habe sie alleine die Folgen dieser Beweislosigkeit zu tragen. Soweit diese Dossiers also relevant wären und fehlen, würde die Klage abgewiesen.
Zeitachse
Schliesslich weist das Obergericht an verschieden Stellen darauf hin, dass bei der Beurteilung der Klage der Zeitachse eine besondere Beachtung geschenkt werden müssen. Dies insbesondere im Zusammenhang mit den Vorwürfen an den Bankrat bzw. die Revisionsstelle als Kontrollorgane. Kontrollorgane haben naturgemäss erst später als die geschäftsführenden Organe Kenntnis von gewissen Vorfällen. Sie müssen aber auch erst ab diesem Zeitpunkt für einen allfälligen Schaden einstehen, was dazu führt, dass dieser Betrag normalerweise kleiner ist als derjenige, für den die geschäftsführenden Organe einzustehen haben.
Business Judgement Rule
Im Zusammenhang mit der Überprüfung der Geschäftsentscheide hält das Obergericht fest, dass das Gericht nur noch überprüfen dürfe, ob ein solcher Entscheid vertretbar sei, wenn er in einem einwandfreien, auf einer angemessenen Informationsbasis beruhenden und von Interessenskonflikten freien Entscheidprozess zustande gekommen ist (vgl. auch Die „Business Judgment Rule“ – Richter als Manager).
Rückweisung
Das Obergericht setzt sich z.T. sehr getailliert mit dem Fall auseinander, entscheidet aber nicht, sondern weist den Fall schliesslich zur Neubeurteilung im Sinne seiner Ausführungen an die Vorinstanz zurück. Damit soll insbesondere auch die Möglichkeit erhalten bleiben, den erneuten Entscheid der Vorinstanz wieder umfassend überprüfen zu können.
Fazit
Auch ohne Konkurs besteht das Risiko, dass ein Verwaltungsrat für angebliche Pflichtverletzungen zur Rechenschaft gezogen wird bzw. werden kann.
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