Der zu Anfang des Jahres veröffentlichte, unabhängige Untersuchungsbericht von Bruno Gehrig („Gehrig-Bericht“) zeigt bei Raiffeisen Schweiz schwerwiegende Mängel in der Führungsorganisation und bei den Kontrollmechanismen auf.

Massive Zukäufe

Ab 2010 verfolgte die Bank unter dem damaligen CEO Pierin Vincenz eine Diversifikationsstrategie, um die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft zu reduzieren. Dies sollte unter anderem durch den Zukauf neuer Geschäftsbereiche erreicht werden, wobei man zwischen 2012 und 2015 für über CHF 1 Milliarden Beteiligungen erworben hat.


Überforderte interne Strukturen

Laut Gehrig-Bericht haben einige dieser Transaktionen die bestehenden Strukturen der Bank überfordert: Viele Beteiligungen wurden nicht direkt, sondern indirekt über Tochtergesellschaften erworben. Die Kompetenzordnung der in die Rolle einer „Konzernobergesellschaft“ gerutschten Raiffeisen Schweiz Genossenschaft enthielt aber keine Regeln, welche Befugnisse dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung beim Beteiligungskauf via Tochtergesellschaften zukommen. Daraus resultierte, dass diese Gremien in vielen Fällen nicht oder nur unvollständig über Risiken und strategische Implikationen der Zukäufe informiert waren. Massgebend (und vollständig informiert) waren dagegen informelle (gemischte) Gremien, in denen nur vereinzelt Vertreter der Konzernobergesellschaft Einsitz hatten, dafür aber auch Vertreter der Tochtergesellschaften sowie ein dem CEO nahestehender, externer Berater. Kaum oder gar nicht einbezogen wurden sodann die Compliance-Abteilung sowie die interne Revision der Raiffeisen.

Diese mangelnde Kompetenzverteilung scheint zumindest Mitursache dafür, dass die Bank zahlreiche Beteiligungen zu überhöhten Preisen erworben hat, auf welchen bereits kurze Zeit später massive Wertberichtigung von 50% oder mehr vorgenommen werden mussten.

Kompetenzreglement entscheidend

Vorfälle wie diese zeigen auf, wie wichtig es ist, für alle wesentlichen Entscheidungsfindungsprozesse, insbesondere auch bei neuen Aktivitätsbereichen, klare Leitlinien im Rahmen von Organisations- und Kompetenzreglementen zu erlassen, sowie Kontrollmechanismen zu implementieren. Dies liegt nicht zuletzt auch im Eigeninteresse der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsführung. Nach Publikation des Gehring-Berichts kam es bekanntlich zu zahlreichen Rücktritten in der obersten Führungsetage. Darüber hinaus sind Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder einer strengen persönlichen Haftung unterworfen: Nach Art. 754 OR sind sie der Gesellschaft, den Aktionären und den Gesellschafsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen. Daraus ergibt sich eine Haftung, die vor allem im Konkursfall zu schweren Konsequenzen führen kann. Wie den Medien zu entnehmen ist, prüft die Bank unter dem neuen VR-Präsidenten Guy Lachappelle nun auch die Möglichkeit einer Klage gegen die früheren Organe.