Die Corona-Pandemie hat in Kombination mit den jeweiligen staatlichen Eindämmungsmassnahmen zu gravierenden Einbrüchen der Auftragslage geführt. Die damit zusammenhängenden Liquiditätsschwierigkeiten können mit den vom Bund Ende März getroffenen Massnahmen gemildert werden: Durch Darlehen von der Hausbank, abgesichert durch eine Staatsgarantie und bis zu einem Betrag von CHF 0.5 Mio. auch noch zinslos, bedeutet für viele Betriebe eine dringend nötige Verschnaufpause im Wettlauf gegen den wirtschaftlichen Kollaps.

Liquidität sichern – aber auch Kapitalschutzvorschriften beachten

Neben dem Erhalt der Zahlungsfähigkeit, welcher für das kurz- bis mittelfristige Überleben des Unternehmens sicher zentral ist, dürfen die Führungsorgane (VR und Geschäftsführung) aber die Kapitalschutzvorschriften des Obligationenrechts nicht ausser Acht lassen. Diese stellen unabhängig von der Liquiditätssituation einzig auf die Eigenkapitalquote ab, der Fokus liegt mithin auf der Bilanz. Zeigt nämlich die letzte Jahresrechnung, dass das Netto-Vermögen (verstanden als Differenz zwischen Aktiven und Fremdkapital) die Hälfte des Grundkapitals zuzüglich gesetzlicher Reserven nicht mehr deckt, hat der Verwaltungsrat unverzüglich eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen und ihr Sanierungsmassnahmen zu beantragen. Besteht sogar der begründete Verdacht einer Überschuldung, d.h. ist das Nettovermögen ganz aufgebracht, ist der Verwaltungsrat verpflichtet, unverzüglich eine Zwischenbilanz zu erstellen. Zeigt die Zwischenbilanz, dass das Fremdkapital die Aktiven übersteigt, muss der Verwaltungsrat mit der überschuldeten Bilanz an den Konkursrichter gelangen. Bleibt der Verwaltungsrat untätig und ist die Überschuldung offensichtlich, fällt diese Pflicht der Revisionsstelle zu. Immerhin steht die bundesgerichtliche Rechtsprechung den verantwortlichen Organen eine Gnadenfrist von 4 bis 6 Wochen zu, um Sanierungsmassen als Alternativen zum Konkurs- bzw. zum Nachlassverfahren zu ergreifen.

Bundesdarlehen beim Kapitalschutz ausgeklammert

Da es sich bei dem von Bund geschnürten Hilfspaket derzeit lediglich um Darlehen handelt, würde sich durch deren Inanspruchnahme das Bilanzbild tendenziell weiter verschlechtern. Deshalb sieht Art. 24 der COVID-19-Soliarbürgschaftsverordnung vor, dass die vom Bund garantierten Darlehen bei der Prüfung einer Überschuldung ausgeklammert werden dürfen. Abzuwarten bleibt, ob der Bund auf die Rückzahlung der Darlehen in Fällen notleidender Betriebe ganz oder teilweise verzichten wird. Derzeit gibt es noch keine entsprechenden Hinweise. Immerhin scheint sich aber abzuzeichnen, dass der Bund die beschriebenen Pflichten des Verwaltungsrates (zumindest bezüglich Anrufung des Konkursrichters) in näherer Zukunft für eine gewisse Zeit aussetzen wird. Dennoch kommen die verantwortlichen Organe vieler Betriebe nicht darum herum, Sanierungsmassnahmen operationeller oder finanzieller Natur (Ausgabenreduktion, Rangrücktritte, Eigenkapitalaufnahme, Verkauf nicht-betriebsnotwendigem Anlagevermögen etc.) einzuleiten, um ihre Pflichten im Zusammenhang mit der Finanzkontrolle zu wahren und persönliche Haftungsrisiken zu verringern (vgl. dazu auch COVID-19: Haftungsrisiko für Verwaltungsrat und Geschäftsleitung).

Bei Fragen wenden Sie sich an Dr. Oliver Fritschi oder Dr. Christoph Studer