Mit Urteil vom 16. Januar 2017 (4A_271/2016; 4A_291/2016) hat das Bundesgericht einen Entscheid gefällt, der einen wesentlichen Einfluss auf Zukunft der Streitverkündungsklage haben wird. Aufgrund des damit verbundenen Kostenrisikos wird die Streitverkündungsklage wohl eine Ausnahmeerscheinung bleiben. In Organhaftungsfällen gibt es allerdings Konstellationen, in denen die Streitverkündungsklage ernsthaft in Betracht gezogen werden sollte.

Vorbehalt von Regressen gegen Mitbeteiligte

Wenn ein Beklagter sich für den Fall, dass er in einem Prozess unterliegt, den Rückgriff bzw. Regress auf Mitbeteiligte vorbehalten will, gibt es verschiedene mögliche Vorgehensweisen.

So kann der Beklagte eine gerichtliche oder aussergerichtliche einfache Streitverkündung vornehmen, indem er den oder die potenziell Mithaftpflichtigen formell im Prozess oder ausserprozessual über die Klage informiert und um Unterstützung bei der Abwehr der Ansprüche ersucht. Durch die Streitverkündung sichert er sich nicht nur mögliche Unterstützung, sondern es wird der streitberufenen Partei bei Prozessverlust insbesondere die Argumentation abgeschnitten, dass der Prozess hätte gewonnen werden können. Sie kann also ein negatives Urteil nicht mehr in Frage stellen. Den Streitberufenen bleibt dabei freigestellt, ob sie in den Prozess eintreten wollen oder nicht.

Der Beklagte kann aber noch weiter gehen und eine sog. Streitverkündungsklage erheben. Mit ihr wird ein potenziell Mitbeteiligter formell in den Prozess gezwungen. Die beklagte Partei tritt dabei im selben Verfahren zugleich auch noch als Streitverkündungsklägerin auf. Es werden zwei Prozesse im selben Verfahren geführt. Der Streitverkündungsprozess kann dabei parallel zum Hauptprozess geführt werden oder das Gericht kann festlegen, dass zuerst der Hauptprozess und erst anschliessend der Streitverkündungsprozess geführt wird (vgl. Art. 82 Abs. 3 ZPO).

Konstellation im konkreten Fall

Im vorliegenden Fall hatte eine Konkursmasse eine Verantwortlichkeitsklage gegen eine ehemalige Revisionsstelle eingeleitet, welche dann ihrerseits ihre Vorgängerin als Revisionsstelle mittels Streitverkündungsklage in den Prozess gezwungen hat. Dabei hat das Handelsgericht Zürich pikanterweise entgegen den Anträgen sämtlicher Beteiligter entschieden, dass Haupt- und Streitverkündungsverfahren parallel durchgeführt würden.

Die Beklagte war nun im Hauptverfahren gegen die klagende Konkursmasse erfolgreich und die (Haupt-)Klage wurde entsprechend abgewiesen. Da die Beklagte und Streitverkündungsklägerin obsiegt hatte, wurde der bereits parallel durchgeführte Streitverkündungsprozess dadurch obsolet. Es stellte sich aber die Frage, wer die Kosten des Streitverkündungsprozesses und die der Streitverkündungsbeklagten zugesprochene Prozessentschädigung tragen müsse. Die Beklagte und Streitverkündungsklägerin stellt sich mit einem Teil der Literatur auf den Standpunkt, dass nicht sie, sondern die Klägerin im Hauptprozess auch diese Kosten und Entschädigungen der Streitverkündungsbeklagten übernehmen müsse, da sie letztlich die Streitverkündungsklage verursacht habe.

Entscheid des Gerichts

Das Bundesgericht hat jedoch letztinstanzlich entschieden, dass es sich bei der Streitverkündungsklage um eine unbedingte und selbständige Klage handle. Bedingt sei nur der mit der Streitverkündungsklage geltend gemachte Regressanspruch. Mit der Abweisung der Hauptklage entfalle die Bedingung für den Regressanspruch, womit die Streitverkündungsklage nicht gegenstandslos werde, sondern sich als unbegründet erweise und deshalb abzuweisen sei. Entsprechend seien gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO sämtliche Prozesskosten der unterliegenden Streitverkündungsklägerin aufzuerlegen (vgl. Urteil Ziff. 5.3).

Auch der Einwand der Beklagten und Streitverkündungsklägerin, wonach das Gericht gemäss Art. 107 Abs. 1 lit b ZPO die Prozesskosten nach Ermessen verteilen und damit der unterliegenden Klägerin des Hauptverfahrens auferlegen könnte, wurde verworfen. Die Beklagte habe sich aus freien Stücken nicht nur eine einfache Streitverkündung vorgenommen, sondern eine Streitverkündungsklage eingereicht. Sie müsse damit auch das damit verbundene Kostenrisiko tragen.

Streitverkündungsklage als Ausnahmeerscheinung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass durch diesen Entscheid klargestellt wird, dass man sehr genau überlegen muss, ob es sinnvoll ist, eine Streitverkündungsklage einzuleiten. Wenn das angerufene Gericht sich wie vorliegend dafür entscheidet, Haupt- und Streitverkündungsverfahren parallel durchzuführen, ist der damit verbundene Aufwand und das Kostenrisiko sehr hoch. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Streitverkündungsklage eine Ausnahmeerscheinung bleiben und nur in speziellen Konstellationen sinnvoll sein wird.

Mögliche Konstellation zur Einschränkung der Einredenbeschränkung

Eine mögliche Konstellation, die bei Organhaftungsfällen für die Erhebung einer Streitverkündungsklage sprechen könnte, ist die folgende: Die alleine eingeklagte Revisionsstelle zwingt verantwortliche Verwaltungsräte oder Geschäftsleitungsmitglieder mittels Streitverkündungsklage in den Prozess. Dies könnte insbesondere dann sinnvoll sein, wenn die Kläger – als Abtretungsgläubiger – mit diesen Verwaltungsräten identisch sind. In solchen Fällen dürfte es sehr vergleichsfördernd sein, wenn die klagenden Aktionäre oder Abtretungsgläubiger im Verfahren zur Partei werden und die sog. Einredebeschränkung dadurch faktisch relativiert wird, indem im Streitverkündungsprozess Einreden bzw. Argumente, die die Kläger persönlich betreffen, in das Verfahren eingeführt werden und so auch einen Einfluss im Hauptprozess bekommen können.