In einer Reihe von Urteilen, die dieselbe Vorsorgestiftung betreffen, stellt das Bundesgericht klar, dass Stiftungsräte von Vorsorgeeinrichtungen – wie Verwaltungsräte der Aktiengesellschaft – strengen Anforderungen im Zusammenhang mit der Ausführung ihrer Tätigkeit unterstehen (9C_229/2014; 9C_230/2014; 9C_245/2014; 9C_246/2014; 9C_247/2014; 9C_248/2014; 9C_263/2014; 9C_267/2014).

Sämtliche Organe der Vorsorgestiftung eingeklagt

Im Zentrum des zugrunde liegenden Falls liegt eine neu gegründete Vorsorgestiftung. Rund 3 Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit wurde festgestellt, dass rund 30 Millionen Franken fehlten. Das angerufene Verwaltungsgericht hiess die Klage des klagenden Sicherheitsfonds gegen sämtliche Beteiligten, insbesondere die formellen und materiellen Organe (Stiftungsräte, Revisionsstelle), gut. Die dagegen erhobenen Beschwerden der Beklagten wurden vom Bundesgericht allesamt abgewiesen.

Keine Karenzfrist – kein sanfter Einstieg

In seinen Urteilen nahm das Bundesgericht zu einigen Aspekten der stiftungsrätlichen Sorgfaltspflicht explizit Stellung. So führte das Gericht beispielsweise aus, dass die Haftung eines Stiftungsrates keiner Karenzfrist unterliegt und er damit ab dem ersten Tag in der vollen Pflicht stehe. Entsprechend muss sich ein Stiftungsrat ein ausreichend umfassendes Bild der Einrichtung verschaffen, bevor er das Mandat übernimmt (vgl. Ziff. 6.1 der zitierten Urteile) und sich dann von Anfang an aktiv um das Geschehen kümmern.

Sorgfaltspflichten gemäss objektiven Kriterien

Ebenso wird klargestellt, dass sich die Sorgfaltspflichten des einzelnen Stiftungsrats nicht nach dem Stand seiner Fachkenntnisse richten, sondern nach objektiven Kriterien. Ein Stiftungsrat darf sich nicht einfach auf die Aussagen von anderen Stiftungsräten verlassen. Er darf sich auch nicht alleine am Jahresergebnis orientieren. Insbesondere der Deckungsgrad reicht nicht aus, um die finanzielle Lage einer Vorsorgeeinrichtung zu beurteilen, namentlich weil es sich dabei bloss um eine Momentaufnahme handelt (vgl. Ziff. 6.2.3 der zitierten Urteile).

Wenn die Vermögensverwaltung delegiert ist, hat jeder Stiftungsrat sicherzustellen, dass der allenfalls zuständige Stiftungsrat die Vermögensverwaltung regelmässig auf Anlageziel und –grundsätze kontrolliert (vgl. Ziff. 6.2.3 der zitierten Urteile). Auch ein neu eintretender Stiftungsrat kann sich nicht darauf verlassen, dass alles in geordneten Bahnen verlaufe, sondern hat beispielsweise der Frage nachzugehen, ob die Stiftung dem Vermögensverwalter überhaupt eine Anlagestrategie vorgegeben hat oder ob eine vorhandene Bankgarantie bestand habe (vgl. Ziff. 6.2.3 der zitierten Urteile).

Mitverschulden anderer Stiftungsräte führt nicht zu Haftungserleichterung

Auf die Argumentation einzelner Stiftungsräte, sie seien durch die anderen systematisch getäuscht worden, hielt das Bundesgericht entgegen, dass jeder Stiftungsrat seiner Aufgabe nachzukommen habe und den dafür erforderlichen Grundlagen substanziell nachgehen müsse. Hätte der neu gewählte Stiftungsrat dies getan, wäre er auf Unstimmigkeiten gestossen und hätte umgehend eingreifen können und müssen. Wie in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit ist eine Haftungsbeschränkung wegen des Mitverschuldens von Dritten auch bei der Haftung von Stiftungsräten also kaum von praktischer Bedeutung (vgl. Ziff. 8.3 der zitierten Urteile, vgl. Haftung des Verwaltungsrats: Pflicht sich über Verbindlichkeiten zu orientieren).

Fazit

Bei den Feststellungen des Bundesgerichts im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um neue Erkenntnisse. Dennoch ist es bemerkenswert, wie strikt die allgemeinen Grundsätze auch Anwendung finden bei Stiftungsräten, die ihre Funktion als Arbeitnehmervertreter ausüben und im vorliegenden Fall erst später in den Stiftungsrat einer auf den ersten Blick gut organisierten Vorsorgeeinrichtung eingetreten sind und an keiner Stiftungsratssitzung teilgenommen haben, bevor es zum Eklat gekommen ist.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Stiftungsräte sich vor Annahme eines Mandats einen Überblick über die Struktur verschaffen und sich ab Mandatsannahme aktiv um das Geschehen kümmern muss. Dabei darf sich der neue Stiftungsrat auch nicht auf die anderen Stiftungsräte verlassen, sondern muss selber Abklärungen machen und gegebenenfalls Massnahmen treffen.