Durch eine sog. echte Teilklage kann ein Kläger Kosten sowie Aufwand sparen und sich eine vorteilhafte Verfahrensart sichern. Der Beklagte hat jedoch die Möglichkeit, mit einer negativen Feststellungswiderklage zu reagieren und den Kläger dadurch unter Umständen in eine unangenehme Lage zu bringen.

Hohe Streitwerte bei Verantwortlichkeitsprozessen

In Verantwortlichkeitsprozessen geht es oft um hohe Forderungsbeträge. So kann eine Pflichtverletzung des Verwaltungsrates Schäden in Millionenhöhe verursachen. Die Prozesskosten (Gerichtskosten und allfällige Parteientschädigung zu Gunsten der obsiegenden Partei) hängen stark von der Höhe des eingeklagten Betrags bzw. vom Streitwert ab. Die Gerichte verlangen vom Kläger zudem oft einen Kostenvorschuss in der Höhe der geschätzten Gerichtskosten. Auch die Verfahrensart ist vom Streitwert abhängig. Bis zu einem Streitwert von CHF 30’000.- kommt das sog. vereinfachte Verfahren nach Art. 243 ff. ZPO zur Anwendung. Das vereinfachte Verfahren ist im Vergleich zum „normalen“ ordentlichen Verfahren nach Art. 219 ff. ZPO rasch, laienfreundlich und aufgrund des tiefen Streitwerts auch relativ kostengünstig. Ein potentieller Kläger könnte davon abgeschreckt sein, auf Grund der hohen Prozesskosten und der anspruchsvollen ordentlichen Verfahrensart eine Klage über den gesamten Schadensbetrag einzureichen.

Kostengünstiges Verfahren

Die schweizerische Zivilprozessordung gibt dem Kläger die Möglichkeit, mittels der sog. echten Teilklage nach Art. 86 ZPO nur einen Teilbetrag einer in Wirklichkeit höheren Forderung einzuklagen. So könnte ein Gläubiger oder Aktionär tatsächlich einen Forderungsbetrag von beispielsweise CHF 1 Mio. gegenüber dem Verwaltungsrat geltend machen wollen. Er kann in solch einem Fall den Betrag in seiner echten Teilklage auf maximal CHF 30’000.- reduzieren, um neben den tiefen Prozesskosten auch in den Genuss des vereinfachten Verfahrens zu kommen. Obsiegt der Kläger mit seiner echten Teilklage, wird ihm maximal der eingeklagte Betrag zugesprochen (also maximal CHF 30’000.-). Für den nicht eingeklagten bzw. den über den eingeklagten Teilbetrag hinausgehenden Betrag muss später eine weitere Klage eingereicht werden. Es sei den, die Parteien einigen sich aussergerichtlich. Da das Gericht für die echte Teilklage bereits den gesamten Sachverhalt prüfen musste, ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein Gericht in einem Folgeprozess den Sachverhalt anders beurteilen würde. Mit anderen Worten bedeutet ein Obsiegen mittels Teilklage für einen Teilbetrag auch meistens ein Obsiegen im Folgeprozess bezüglich des darüber hinausgehenden Betrages. Zumindest psychologisch hat der Kläger einen grossen Vorteil. Somit gibt es mehrere Gründe, weshalb ein Kläger anstatt des gesamten geschätzten Schadenbetrages, in einem ersten Schritt einen tieferen, i.d.R. auf maximal CHF 30’000.- begrenzten Betrag, mittels echter Teilklage einklagen will.

Eine echte Teilklage ist bei Geldforderungen immer möglich. Die Grenze der Zulässigkeit bildet das Rechtsmissbrauchsverbot. So darf der Kläger zwar eine echte Teilklage einreichen, um die Prozesskosten zu reduzieren und ins vereinfachte Verfahren zu kommen, nicht aber um den Beklagten zu schikanieren. Somit ist eine echte Teilklage bei Verantwortlichkeitsprozessen grundsätzlich immer zulässig.

Reaktion von Beklagten

Der Beklagte kann als Reaktion auf eine echte Teilklage, eine sog. negative Feststellungswiderklage über den „gesamten“ Forderungsbetrag einreichen. Mit dieser negativen Feststellungswiderklage kann der Beklagte verlangen, dass über den behaupteten Anspruch des Klägers nicht nur im Umfang der echten Teilklage, sondern im Umfang des gesamten Betrages entschieden wird. Das Gericht soll in einem Urteil feststellen, dass keine Pflichtverletzung des Verwaltungsrats und somit auch keine daraus folgende Forderung des Klägers bestehen. Mit anderen Worten werden neu nicht mehr lediglich die CHF 30’000.-, sondern die gesamte sich aus der behaupteten Pflichtverletzung ergebende Forderung beurteilt.

Der höhere Betrag ist neu massgebend für die Verfahrensart und auch die Prozesskosten. Sollte der gesamte Forderungsbetrag nicht feststehen, schätzen die Gerichte einen Mindestbetrag. Dies hat einerseits zur Folge, dass sowohl echte Teilklage als auch negative Feststellungswiderklage wegen des erhöhten Streitwerts von über CHF 30’000.- neu im ordentlichen Verfahren beurteilt werden und sich auch die Prozesskosten entsprechend dem (gestiegenen) Streitwert erhöhen. Zudem müsste der Kläger nicht nur einen reduzierten Betrag sondern den gesamten tatsächlichen Schaden aufgrund der negativen Feststellungwiderklage beweisen.

Negative Feststellungswiderklage als Abwehrmassnahme

Sieht sich ein Verwaltungsrat mit einer Verantwortlichkeitsklage, welche als echte Teilklage eingereicht wurde, konfrontiert, so ist er gut beraten, eine negative Feststellungswiderklage über den gesamten Umfang des Schadens, welcher sich aus der behaupteten Pflichtverletzung ergibt, in Betracht zu ziehen. Mit dieser kann er verlangen, dass festgestellt wird, dass er dem Kläger nichts aus dem vorgeworfenen Sachverhalt schuldet. Die mit der negativen Feststellungswiderklage verbundenen Folgen (ordentliches Verfahren, höherer Aufwand sowie höhere Kostenfolgen, Notwendigkeit des Beweisens der gesamten Forderung etc.) kann die Ausgangslage des Beklagten verbessern und einen Kläger im Extremfall sogar zum Rückzug der Klage verleiten.