Ein vom Bundesgericht anerkannter Entlastungsgrund, um sich als Organ einer Haftung für nicht abgelieferte Sozialversicherungsbeiträge zu entziehen, ist das Konzept der sog. „Business Defense“. In einem Urteil vom 2. Mai 2017 [Entscheid BGer 9C_41/2017 E. 7.1 ff. ] hat sich das Bundegericht ausführlich mit der „Business Defense“ auseinandergesetzt. Dieser Beitrag befasst sich mit diesen Ausführungen.

Haftung nach Art. 52 AHVG

Grundsätzlich wird bei einer Nichtüberweisung der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge durch die Gesellschaft von einer zumindest grobfahrlässigen Pflichtverletzung der verantwortlichen Organe (z.B. dem Verwaltungsrat) ausgegangen. Diese Vermutung begründet oft deren persönliche Haftung für den Schaden, welchen die Sozialversicherungsbehörden dadurch erlittenen haben. Allerdings kann unter gewissen, jedoch seltenen Umständen ein sog. Entlastungsbeweis erbracht werden. Gelingt dieser, haftet das Organ nicht.

Das Konzept der „Business Defense“ als möglicher Entlastungsbeweis

In speziellen Situationen ist es dem zuständigen Organ erlaubt, die Pflicht zur Überweisung der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge zu missachten oder dieses Verhalten wird zumindest als nicht schuldhaft erachtet.

Besondere Umstände erfordern entsprechende Massnahmen

Solche Umstände liegen beispielsweise vor, wenn das zuständige Organ durch das Unterlassen der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge die Existenz des sich in einer schwierigen finanziellen Lage befindlichen Unternehmens retten will. Damit solche Umstände das Organ von einer sozialversicherungsrechtlichen Haftung schützt, müssen aber zusätzliche Kriterien erfüllt sein.

  1. Die zurückbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge müssen für die Begleichung anderer für das Überleben der Gesellschaft wesentlicher Forderungen des Unternehmens (z.B. Löhne, Lieferantenrechnungen) verwendet werden und
  2. aufgrund einer seriösen objektiven Einschätzung der Umstände muss eine Begleichung der Sozialversicherungsschuld in naher Zukunft realistisch sein.

Mit anderen Worten muss die momentane Nichtbezahlung der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge dazu führen, dass die Gesellschaft mit genügender Sicherheit überlebt und somit zukünftige Beitragszahlungen gerettet werden. Je länger die Liquiditätsprobleme andauern und je höher die Schulden im Vergleich zu den zurückbehaltenen Sozialversicherungsbeiträgen sind, umso weniger kann mit einer zukünftigen Nachzahlung gerechnet werden.

Durch Pflichtverletzung der Pflicht nachkommen

Wichtig zu beachten ist, dass die blosse Hoffnung, die Gesellschaft zu retten, ohne rechtfertigende Umstände nicht ausreicht. Auch ist nicht relevant, ob das verantwortliche Organ freiwillig beachtliche eigene Mittel in die Gesellschaft eingebracht hat, um diese zu retten. Wichtig ist einzig, dass das zuständige Organ seiner Pflicht zur Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge nach aussen erkennbar nachgekommen ist. Aufgrund der besonderen Umstände muss die Missachtung der Vorschrift gerade geboten sein, um der längerfristigen Pflichterfüllung nachkommen zu können.

Notwendige Massnahmen treffen und schriftliche Dokumentation

Weiter ist es wichtig, diese Zweckverfolgung auch beweisen zu können. Das verantwortliche Organ muss seine diesbezüglichen Handlungen schriftlich dokumentieren oder anderweitig belegen können. Dazu zählt beispielsweise auch, von den übrigen verantwortlichen Personen schriftlich die notwendigen Handlungen für die Erfüllung der Sozialversicherungsbeitragspflicht zu verlangen. Sollten sich die übrigen verantwortlichen Personen erkennbar weigern, die zukünftigen Zahlungen sicherzustellen, so könnte das zuständige Organ gar zum Rücktritt gezwungen sein. Denn ein Entlastungsbeweis würde unter solchen Umständen höchst wahrscheinlich misslingen.