Die geschäftsführenden Organe können für Steuerschulden und Sozialversicherungsabgaben des Unternehmens solidarisch haftbar werden. Diese Haftung stützt sich auf öffentlich-rechtliche Spezialgesetze und geht viel weiter, als eine zivilrechtliche Haftung wegen Verletzung der Organverantwortlichkeit (Art. 754 ff. OR) oder einer widerrechtlicher Handlung (Art. 41 ff. OR). Insbesondere besteht eine höhere Anforderung an die Sorgfaltspflicht und es werden (wenn überhaupt) nur sehr zurückhaltend Entlastungsmöglichkeiten des Einzelnen zugelassen.

Entsprechend kann ein einzelnes Verwaltungsratsmitglied für offene Steuerschulden oder Sozialversicherungsabgaben des Unternehmens persönlich haftbar werden, ohne dass eine Haftung nach den zivilrechtlichen Ansprüchen besteht. Unter Umständen ist dem Verwaltungsratsmitglied persönlich keine Sorgfaltspflicht vorzuwerfen und es wusste auch nichts von der ausstehenden Schuld.

Solidarische Haftung der Verwaltungsräte für Steuerschulden des Unternehmens

Im Falle der Verrechnungs-, Gewinn- und auch Mehrwertsteuer haften die geschäftsführenden Organe grundsätzlich solidarisch für Steuerschulden der juristischen Person, falls die Steuerpflicht wegen der Liquidation der Gesellschaft oder der Sitzverlegung ins Ausland endet. Je nach Steuerart ist ein anderer genauer Zeitpunkt für den Eintritt der Haftung massgebend. Haftbar werden können neben den „ordentlichen“ Organen auch die Liquidatoren.

Zum Teil haben die verantwortlichen Organe die Möglichkeit, sich einer Haftung zu entziehen.

Gewinnsteuer

Sofern es sich um eine Gewinnsteuerschuld handelt, steht der betroffenen Person der Nachweis offen, dass sie alle zumutbare Sorgfalt walten liess, damit das Unternehmen seiner Steuerpflicht nachkam (Art. 55 Abs. 1 DBG). Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht sind allerdings relativ hoch. Die Verantwortlichen müssen nachweisen, dass sie an allen Sitzungen teilgenommen haben, Einsicht in die Geschäftsbücher nahmen, bei Verdacht nachfragten, sofern zweckmässig selber Abklärungen vornahmen und bei genügenden Anzeichen auch die Behörden informierten. Bereits ein zu langes Zuwarten kann dazu führen, dass man seine Sorgfaltspflicht verletzt und somit haftbar wird.

Verrechnungs- und Mehrwertsteuer

In Bezug auf Verrechnungs- und Mehrwertsteuerschulden haften die geschäftsführenden Organe zusätzlich nur für Schulden welche auch während ihrer Amtszeit anfielen (Art. 15 Abs. 2 VStG). Auf der anderen Seite werden jedoch noch höhere Anforderungen an den Sorgfaltsbeweis gestellt als bei der Gewinnsteuer (BGer 2C_472/2015, Urteil vom 14. September 2016, E 3.4.1).

Kantonale Steuern

Es gibt diverse kantonale Steuern, welche die Möglichkeit der solidarischen Haftung vorsehen. Die Regelungen sind jedoch uneinheitlich.

Strengere Verantwortlichkeit bei Sozialversicherungsabgaben

In der Praxis noch drastischer als die Haftung für Steuerschulden ist jene für Sozialversicherungsabgaben. Haftungsgrundlage ist  Art. 52 AHVG. Dieser Artikel findet  sowohl für AHV- als auch die meisten weiteren Sozialversicherungsabgaben Anwendung.

Faktische Kausalhaftung

Geschäftsführende Organe haften für Schäden, welche sie der Sozialversicherung zufügen. Eine solche Schädigung liegt beispielsweise vor, wenn das Unternehmen die geschuldeten Sozialversicherungsabgaben nicht leistet und auch nicht mehr leisten kann (z.B. weil der Konkurs eröffnet wurde). Obwohl das Gesetz für die Haftung ein Verschulden mit einer gewissen Intensität verlangt, wurde durch die Praxis des Bundesgerichts eine sogenannte faktische Kausalhaftung konstruiert (BGer 9C_66/2016, Urteil vom 10. August 2016, E 5.4 f.). Mit anderen Worten werden derart hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflicht gestellt, dass die Organe grundsätzlich immer haften, wenn die Sozialversicherungsabgaben nicht geleistet werden und das Unternehmen auch nicht mehr leisten kann.

Kein Entlastungsbeweis möglich

Anders als bei der Haftung für Steuerschulden statuiert das Gesetz für den Betroffenen keine Möglichkeit, nachzuweisen, dass er seine Sorgfaltspflicht erfüllt hat. Grundsätzlich wird aber auch hier auf den Zeitraum abgestellt, während dem die Person geschäftsführendes Organ war.

Unwissenheit schadet

Man muss sich bewusst zu sein, dass Unwissenheit schadet. Ein einzelnes Verwaltungsratsmitglied kann sich beispielsweise der Haftung nicht mit dem Argument entziehen, dass die Begleichung der Abgabe nicht in seinen Verantwortungsbereich gefallen sei oder dass man persönlich gar nie an Sitzungen teilgenommen habe resp. keine Kenntnis von den Vorgängen gehabt habe. Solches Verhalten wird gerade als grobfahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung und somit als Haftungsbegründung qualifiziert.

Massnahmen ergreifen

Es ist wichtig, dass sich geschäftsführende Organe ihrer Verantwortung in Bezug auf Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und auch weitere Abgaben bewusst sind und gleichzeitig die notwendige Sorgfalt erbringen resp. alle Massnahmen ergreifen, damit die Steuer- und Sozialversicherungsschulden auch beglichen werden. Diese Verantwortlichkeit gegenüber dem Staat geht weiter, als Viele annehmen. Ein einzelnes Organ kann gar für Handlungen oder Unterlassungen von anderen einstehen müssen, obwohl sie oder er gar keine Kenntnis hatte.

In diesem Zusammenhang ist der Spruch „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ weise.