Ist eine Aktiengesellschaft als Beklagte in einen Zivilprozess involviert, stellen sich diverse Fragen. Eine davon ist, wie man dieses Risiko buchhalterisch abbilden soll. Verantwortlich für das Rechnungswesen (und damit auch die Buchhaltung) ist der Verwaltungsrat. Er muss die Bücher zwar nicht eigenhändig führen, sondern kann diese Aufgabe delegieren. Mittels Überwachung hat er aber dafür zu sorgen, dass dies ordnungsgemäss erfolgt (vgl. auch Pflichten des VR: Finanzverantwortung).

Gefahr: Konkursverschleppung

Stellt der Verwaltungsrat eine Überschuldung aufgrund mangelhafter Rechnungslegung nicht rechtzeitig fest, kann dies zu einer verspäteten Konkurseröffnung führen. Typischerweise bewirkt dies bei der Gläubigergesamtheit einen sog. Konkursverschleppungsschaden (auch Fortführungsschaden genannt): Die Gesellschaft hat in der Zeit ab Eintritt der Überschuldung bis zur effektiven Konkurseröffnung weiterhin Mittel „verbraten“ und damit letztlich die Konkursdividende der Gläubiger geschmälert. Wenn die mangelhafte Rechnungslegung als Pflichtverletzung des Verwaltungsrates kausal zum Schaden der Gläubigergesamtheit geführt hat, sind die Voraussetzungen für eine persönlichen Haftung des Verwaltungsrates grundsätzlich erfüllt.

Wie verbuchen?

Um eine Überschuldung der Gesellschaft rechtzeitig zu erkennen, müssen auch Prozessrisiken buchhalterisch korrekt erfasst werden. Doch wie ist dabei vorzugehen?

Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten: Der Verwaltungsrat kann das Prozessrisiko als Verbindlichkeit, als Rückstellung oder als Eventualverbindlichkeit erfassen. Verbindlichkeiten und Rückstellungen gehören zum Fremdkapital und können bei entsprechender Höhe eine Überschuldung der Gesellschaft auslösen. Eventualverbindlichkeiten werden lediglich in den Anhang der Bilanz aufgenommen und sind damit für die Frage der Überschuldung irrelevant. In welche Kategorie ein konkret vorliegendes Prozessrisiko einzuteilen ist, hängt in erster Linie von der Aussicht ab, im Prozess zu obsiegen respektive zu unterliegen. Der Verwaltungsrat muss folglich den Prozessausgang im Voraus nach bestem Wissen und Gewissen abschätzen bzw. durch den Rechtsvertreter abschätzen lassen.

Von welcher Unterliegenswahrscheinlichkeit muss man nun ausgehen, damit eine drohende Forderung als Verbindlichkeit, Rückstellung oder Eventualverbindlichkeit zu buchen ist? Dies hängt zunächst einmal von den anwendbaren Rechnungslegungsstandards (OR, Swiss GAAP FER, IFRS) ab, welche in verschiedenster Hinsicht voneinander abweichen. Aber auch innerhalb eines spezifischen Standards sind die Regeln nicht immer ganz klar, es herrschen mitunter abweichende Lehrmeinungen. Eine häufig vertretene Auffassung geht bei der OR-Rechnungslegung davon aus, dass bei einer Unterliegenswahrscheinlichkeit von bis zu 25% keine Rückstellungen, sondern lediglich eine Eventualverbindlichkeit zu bilden ist. Liegt die Wahrscheinlichkeit zwischen 25% bis 75%, ist eine Rückstellung nach dem geschätzten Grad der Wahrscheinlichkeit zu bilden. Beträgt die Wahrscheinlichkeit 75% oder mehr, ist der volle Betrag als Verbindlichkeit zu buchen. Der Verwaltungsrat tut gut daran, sich bei Fachpersonen hinsichtlich der Prozessaussichten zu beraten und dieses Risiken dann tendenziell konservativ zu verbuchen.

Auch Gerichtsgebühren, Anwaltskosten und Versicherungsdeckung berücksichtigen

Betreffend Höhe der Rückstellung, Verbindlichkeit oder Eventualverbindlichkeit ist nicht nur der eingeklagte Betrag, sondern auch die voraussichtlichen Gerichts- und Rechtsberaterkosten zu berücksichtigen. Besteht die Zusage einer Versicherung, bei einem negativen Prozessausgang einen (Teil-)Betrag zu decken, kann dies in der entsprechenden Höhe abgezogen werden.